Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit schiebt sich das Thema Regionalisierung in den Fokus. Warum?
Wir haben uns einfach an globale Lieferketten gewöhnt. Daran, Rohstoffe und Produktteile zu verschiffen. An Just-in-time-Prozesse, die Lager- und Personalkosten für Unternehmen minimieren. Durch die Beschränkungen der Pandemie wurden plötzlich diejenigen Unternehmen zu Gewinnern, die vor Ort produzieren. Man hinterfragt plötzlich die gelebten Selbstverständlichkeiten globaler Lieferketten. Und auch den CO2-Fußabdruck von aus Chile eingeflogenen Bio-Heidelbeeren.
Eklatant sind die Veränderungen im Bereich der Mobilität – gerade für uns in Deutschland in der Abhängigkeit von unserer starken Automobilindustrie. In vielen Ländern gibt es bereits Zielvereinbarungen für das Verbot von Verbrennungsmotoren. Elektro-Pioniere wie Tesla sind an den Börsen bereits mehr wert als viele Platzhirsche, die vor zehn Jahren den Automobilmarkt dominierten. Hinzu kommen Entwicklungen hin zur vernetzten Mobilität und die Frage, ob Menschen in Zukunft wirklich jeden Tag ins Büro fahren müssen oder sich ans Homeoffice gewöhnen können und wollen.
Zu guter Letzt: Der Wandel im Einkaufsverhalten geht weiter. Wir kaufen bewusster ein – und immer öfter online. Der stationäre Handel wird flexibler reagieren müssen, die Zeit der großen Kaufhäuser scheint vorbei. Was das für die Innenstädte bedeutet, ist noch gar nicht abzusehen. Vielleicht gibt es in Zukunft nur noch flexible Pop-up-Stores in den Innenstädten?
Wie wird sich das Design von Produkten und Marken durch die derzeitigen Ereignisse verändern?
Wir erleben eine Veränderung der Erwartungen der Nutzer*innen. Natürlich müssen sich diese auch in der Gestaltung widerspiegeln. Nachhaltigkeit haben wir als großes Thema bereits angesprochen. Nachhaltige Lösungen zu entwickeln ist für uns in der Peter Schmidt Group schon heute ein selbstverständlicher Teil des Designprozesses. Für Gestalter ist sehr interessant, wie sich der Blick von Menschen auf das Thema verändert: Wir haben in einer Studie untersucht, wie nachhaltige Produkte genau aussehen sollten. Dabei konnten wir überraschenderweise feststellen: Bunte Farben und freche Slogans stehen keinesfalls im Widerspruch zu nachhaltigen Werten.
Nachhaltig ist aber auch jede Gestaltung, die für möglichst alle Menschen verfügbar ist, die niemanden ausschließt – beispielsweise weil sie für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen schwer erkennbar ist. Dieses sogenannte barrierefreie Design wird immer wichtiger. Auch für Themen wie diskriminierungsfreie Bildwelten oder inklusive Piktogramme wächst das Bewusstsein. Hier müssen wir uns als Gestalter die gesellschaftliche Bedeutung unserer Arbeit bewusst machen.
Zwei weitere Themen werden für Designer immer wichtiger: Empathie und Relevanz. Grob gesagt bedeutet Empathie in der Markenführung, dass Marken anpassungsfähig sein müssen, um sich in die sehr spezifischen Anforderungen unterschiedlicher Zielgruppen einfühlen zu können. Sie müssen möglichst individuelle Lösungen und Ansprachen entwickeln, zugleich aber unverwechselbar bleiben. Empathie ist damit ein entscheidender Faktor für Relevanz. In einem immer vielschichtigeren Wettbewerb müssen Marken möglichst komprimiert auf den Punkt bringen, warum man sich genau für sie und nicht für einen Wettbewerber entscheiden sollte. Kurzum: Design wird noch stärker einen persönlichen Bezug herstellen – und diesen möglichst pointiert und sofort erkennbar kommunizieren.
Wie das aussehen kann, zeigt sich zum Beispiel am so genannten Puls der Deutschen Bahn: Eine abgerundete Linie, die sich ganz logisch aus dem Markenauftritt ableitet und ihre volle Wirkung in digitalen Kanälen entfaltet. Ihre Funktion: Sie gibt Reisenden Orientierung und erleichtert die Nutzung, indem sie durch ihr Verhalten Informationen und Emotionen vermittelt. Der Puls kann aufgeregt sein, wenn der Zug im Bahnhof einfährt, oder bestätigend nicken, wenn man sich auf seinem Sitzplatz eingecheckt hat. Er kann aber auch mitfühlen, wenn mal etwas nicht so läuft, wie geplant. Dieses eine kleine Element ist fähig, Nähe aufzubauen, auf individuelle Situationen einzugehen, Interaktion zuzulassen und Vertrauen aufzubauen. Klingt irgendwie menschlich, nicht wahr?! Und genau darum geht es.